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Superheld

Neuer „Spider-Man“-Film kommt ins Kino

Kultur / Lesedauer: 3 min

Kindlich, unterhaltsam, anspruchsvoll: Bob Persichettis erster animierter „Spider-Man“-Film
Veröffentlicht:10.12.2018, 18:52

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Spider-Man ist der Däumling unter den Superhelden. Der Jugendliche Peter Parker wird von einer Spinne gebissen und verwandelt sich daraufhin in einen Superhelden, der trotzdem ganz der nette Junge von nebenan bleibt. Dieser Pubertierende taugt mit am besten als Identifikationsfigur für die selbst ja in erster Linie jugendliche oder gar in ewiger Infantilität gefangene Kientel des im letzten Jahrzehnt inflationär gewordenen Superhelden-Genres. Jetzt schwingt er sich wieder, ausgestattet mit Spinnensuperkräften, zwischen den Wolkenkratzern von Manhattan.

Bob Persichettis Film ist bereits der vierte Neustart der Figur – als müsste es mit jeder Jugendgeneration seit 2002 auch einen eigenen Spinnenmann geben. Allerdings ist „Spider-Man: A New Universe“ der erste Animationsfilm der Serie. Im Original werden die Figuren denn auch von Darstellergrößen wie Nicholas Cage, Jake Johnson, Liev Schreiber gesprochen, in der deutschen Fassung nur von unbekannten Synchronsprechern.

In diesem Fall wird der Ursprungsmythos der Figur – der Spinnenbiss – dann auch nur noch aus dem Rückblick von einen Spider-Man erzählt, der offenbar schon einiges hinter sich hat: „Mein Name ist Peter Parker. Den Rest kennt ihr ja sicher: Ich hab die Stadt gerettet, mich verliebt, dann hab ich die Stadt nochmal gerettet ... und noch mal ... und noch mal ...“ Wie von sich selbst gelangweilt und unidealistisch kann ein Superheld eigentlich noch werden? Allen Ernstes erzählt er uns auch, dass es ihn „als Comic“ gäbe, „als Cornflakes, ich hab ein Weihnachtsalbum rausgebracht und ein semigutes Eis am Stil.“

Interessant an diesem Dialog-Ausschnitt ist nicht nur, dass sich ein Filmheld erkennbar an ein Publikum von Fans und Bescheidwissern richtet. Sondern dass der Film, nur sehr bemüht selbstironisch abgefedert, den Boom der Fortsetzungs- und Vorgeschichtenfilme schon selbst zum Thema macht. Und das Merchandising des Films, also die ganzen Waren, die wir kaufen sollen. So markiert der Film das Endstadium eines postmodernen Wirtschaftssystems, wie es der französische Philosoph Baudrillard bereits vor einem Vierteljahrhundert prophezeihte: Die Waren erzählen von den Waren und von sich selber.

Anders und doch dieselben

Aufregend wird es dann aber doch: Denn bald verschlägt es Spider-Man in ein Paralleluniversum. Dort begegnet er seinem Doppelgänger. Der heißt Miles Morales und hält sich ebenfalls für den einzig wahren Spider-Man. Dieser Miles Morales oder Spider-Man zwei hat eine schwarze Hautfarbe und ist noch nicht ganz so perfekt wie der erste, deswegen erhält er vom Peter-Parker-Spider-Man nach anfänglicher Verwunderung bald Lektionen.

Später stellt sich heraus, dass die Welt von Miles nur eines unter vielen Paralleluniversen ist, mit lauter anderen Spinnenmenschen, die alle irgendwie anders und irgendwie dieselben sind, mal weiblich, mal tierisch, mal farbig ... Danach mündet die Handlung allmählich in das erwartbare Hollywoodmuster: Das Böse muss besiegt werden.

Das geschieht hochunterhaltsam und so ist dieser Film auch gelungenes Entertainment-Kino. Aber es ist mehr: Man kann zu alldem „Zeitgeist“ sagen. Man kann es politisch korrekt nennen. Man kann aber darin auch viel darüber lernen, in was für einer Welt wir eigentlich leben.

So ist „Spider-Man: A New Universe“ zunächst einmal das, was jeder Spider-Man-Film ist: Nein, kein Superhelden-Abenteuer, sondern ein Film über die Pubertät. Denn lebt nicht jeder Jugendliche mindestens zwischen elf und 17 in seinem eigenen Universum? Zugleich ist es ein Film über das, was Soziologen „die Gesellschaft der Singularitäten“ nennen, die Gesellschaft der Einzelheiten. Über das Thema, das uns auch im sozialen Alltag umtreibt: Wie schwer es ist, alles Individuelle noch zusammenzubringen, und eine gemeinsame Erzählung zu finden, die uns alle einschließt. Jetzt lernen es sogar schon die Kleinen im Kino.