China:Apple entfernt Anti-Zensur-Apps

Kritiker werfen dem amerikanischen Konzern Komplizenschaft mit Pekings Zensoren vor. Apple hingegen beruft sich auf chinesische Gesetze. Der Konzern macht dort 20 Prozent seines Umsatzes.

Von Kai Strittmatter, Peking

China: China ist ein verlockender Markt für westliche Technologiekonzerne.

China ist ein verlockender Markt für westliche Technologiekonzerne.

(Foto: AFP)

Vor sieben Jahren, im März 2010, fällte der IT-Konzern Google eine bis heute einmalige Entscheidung: Der Konzern entschloss sich zum Rückzug aus dem chinesischen Markt - wegen der Zensur. "Wir lösen damit unser Versprechen ein, der Zensur auf Google.cn ein Ende zu setzen", hieß es damals in einem Blog der Firma. Der Rückzug löste kontroverse Debatten aus. Chinesische Nutzer, die auf ein offeneres Internet hofften, legten zum Dank Blumen vor dem Pekinger Hauptquartier der Firma ab, Bürgerrechtler applaudierten. Ihre Hoffnung, der Schritt werde Nachahmer finden, erfüllte sich allerdings nie.

Im Gegenteil: Der chinesische Markt erschien den westlichen Technologie- und Internetkonzernen von Jahr zu Jahr verlockender. Bis heute versucht jeder, sich ein Stück vom Kuchen zu sichern. Das klappte mal mehr (etwa beim Technologiekonzern Apple) und mal weniger gut (wie im Fall des Karriere-Netzwerks LinkedIn).

Gleichzeitig aber zeigt sich, dass das Dilemma für die Firmen immer größer wird, vor allem, weil sich die Versprechen von einem zunehmend offenen China eben nicht erfüllt haben. Parteichef Xi Jinping sorgte in den bislang fünf Jahren seiner Amtszeit dafür, dass in China Repression und Zensur zunahmen und die Meinungs- und Informationsfreiheit zunehmend stranguliert wurden.

Apple schaffte es am Wochenende wieder in die Nachrichten, weil der US-Konzern offensichtlich auf Anweisung der Zensurbehörden eine Reihe von Apps aus seinem Store in China entfernte - allesamt Apps, die den chinesischen Nutzern bislang die Umgehung der Zensur ermöglicht hatten. Apps, die dem Kunden Zugang zu VPN verschafften, zu Virtual Private Networks. VPN sind eine Art Umgehungsstraße für die Internetblockade, die in China Seiten wie Twitter, Facebook oder Google sperrt sowie Seiten, auf denen Informationen zu heiklen Themen zu finden sind. Darunter fallen der in Haft verstorbene Dissident Liu Xiaobo ebenso wie die Korruptionsskandale der chinesischen Elite.

VPN sind in China bislang die gängigste Methode, die Zensur zu umgehen. Seit Januar sind sie offiziell illegal. Apple berief sich dem betroffenen Anbieter Express VPN gegenüber auf chinesische Gesetze und erklärte, man werde in China illegale Inhalte künftig konsequent aus dem App-Store verbannen. Express VPN erklärte daraufhin, man sei "besorgt darüber, dass Apple nun Chinas Zensur hilft".

Tatsächlich macht Apple mittlerweile mehr als 20 Prozent seines Umsatzes in China. Dass Apple und andere Konzerne sich dafür in China gesetzestreu verhalten, ist aus ihrer Sicht nur logisch, schützt sie aber nicht vor zunehmenden Angriffen von Bürgerrechtsorganisationen, die ihnen Komplizenschaft mit dem autoritären Regime vorwerfen. Denn die Gesetze werden immer schärfer und verlangen den Firmen immer mehr Konzessionen ab.

Schon im vergangenen Dezember warf Apple offenbar auf Druck der Regierung die chinesische Version der New York Times aus dem App-Store. Und vor Kurzem verkündete der Konzern, er werde ein eigenes Datenzentrum in China eröffnen, in der Provinz Guizhou. Für das Daten-Management wird zudem ein chinesischer Partner verantwortlich sein, die Firma Guizhou-Cloud Big Data Industry. Auch das ist eine Reaktion auf ein neues Gesetz, das von ausländischen Firmen die Speicherung aller China-relevanten Daten in China selbst verlangt. Apple verteidigt sich mit dem Hinweis, dass die wichtigsten Daten der Kunden - etwa iMessage-Nachrichten - weiter verschlüsselt seien. Kritiker sind dennoch alarmiert.

Der Fokus der Kritiker auf Apple ist damit zu erklären, dass kein anderer westlicher Technologiekonzern in China so erfolgreich ist. Er ist allerdings auch ein wenig unfair. Apple ist bei Weitem nicht die einzige Firma, die mit den Zensoren kooperiert. Auch Amazon und Microsoft eröffnen Datenzentren in China. Und Microsofts Suchmaschine Bing tut seit Jahren das, was Google 2010 verweigerte: Sie zensiert die Suchanfragen der chinesischen Nutzer, rückt etwa keine Informationen heraus zum Tiananmen-Massaker von 1989 und liefert lediglich Regierungspropaganda zur verbotenen Falungong-Sekte. Auch Nutzer des kalifornischen Netzwerks LinkedIn können keine heiklen Texte über China versenden - das System schluckt sie einfach, wenn sie an Empfänger innerhalb Chinas adressiert sind.

Ist also Google ein moralischer Solitär inmitten opportunistischer Geschäftemacher? Wer weiß. Im März bestätigte ein hochrangiger chinesischer Politiker Berichte, wonach Google gerade mit den Behörden in Peking verhandele - über eine Rückkehr nach China.

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